Aktualisiert
am
4. März 2018 |
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Hyperion, in seiner typisch kühnen Repertoirewahl, brachte
1989 die erste kommerzielle Einspielung der Symphonie heraus
(früher CDA 66366, jetzt im mittleren Preissegment als
Helios CDH 55140). Gerhard Samuel interpretiert die Partitur
etwas vorsichtig, doch beweist er ein gutes Gespür für
den Charakter der verschiedenen Episoden. Einfühlsam moduliert
er die Cantabile-Themen, bettet sogar die kräftigeren
Passagen in einen fließenden lyrischen Stil ein und läßt
so die wuchernden Strukturen logisch erscheinen. Nur die behutsam
kontrollierte finale Coda, in der sich der strahlende Klang
nicht so triumphierend öffnet wie er sollte, enttäuscht.
(War die digitale Technologie nicht dazu gedacht, diese Restriktionen
des Klangvolumens zu eliminieren?) Das Cincinnati Philharmonia,
ein Studentenensemble mit Sitz im College-Conservatory of Music
der Stadt, spielt mit attraktiverem Ton und einem besserem
Ensemble als manches dem Namen nach professionelle Orchester
im früheren Ostblock. Seine Schwächen liegen in einer
gelegentlichen Unsicherheit des Ensembles (im Anfangsthema
klingen Horn und Flöten beispielsweise nicht ganz zusammen)
und in etwas kraftlosen Streichern (in den Tutti erlaubt es
nur das hohe Diskantregister der Violinthemen klar über
den Blechbläsern zu stehen). Wenn seitdem andere Dirigenten
dieses Musikgebäude mit größerer Sicherheit
und Individualität aufführten, erlaubt uns Samuels
Politik des Sich-nicht-einmischens dagegen, die Persönlichkeit
des Komponisten gleichsam unvermittelt zu hören, wobei
er seine intelligente, einfühlsame und wohlkonstruierte
Aufführung zu einer guten, allumfassenden Einführung
in das Stück macht. |
Cincinnati Philharmonia
Orchestra
Gerhard Samuel
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Im Großen und Ganzen wagemutiger ist Leif Segerstam,
der in seiner Aufnahme von 1992 (Bis CD-563) die Risiken eingeht,
die Samuel vermeidet, indem er flexible Tempi anwendet, um
eine tiefempfundene, expressive Interpretation zu zeichnen,
die - absichtlich oder unabsichtlich - die Erinnerungen an
und Vorahnungen auf besser bekannte Komponisten betont. Da
ist natürlich Mahler: im schmerzlich-sehnsüchtigen
Hornsolo im Trio (Spur 3, 5:04) und im ominösen, “Auferstehungs“ähnlichen
Finale (Track 4, 2:36). Nicht unerwartet läßt uns
Segerstam auch Sibelius hören in der kühlen, stoischen
Größe des Anfangs und im gedämpften, andächtigen
Sehr langsam-Choral (doch ähnlich breit gespielt am Ende
zerdehnt er den Satz fast über den kritischen Punkt hinaus).
Smetanas Blanik blitzt auf im "Spielzeugmarsch" des
ersten Satzes, Dvoráks Achte im dunklen „picardischen“ Dreitakt
im Finale bei 3:55. Während des ganzen Stückes läßt
der Dirigent die Blechbläser in russischer Manier auftreten
- glücklicherweise ohne deren Schwankungen! - und erzielt
so eine ungewöhnlich brillante Klangfülle. Die Trompeten
sind in der Durchführung des ersten Satzes von einer kühnen,
metallischen Präsenz; der Horn-Einsatz im Sehr langsam-Choral,
für gewöhnlich als Füllsel behandelt, wird hervorgehoben;
die Themen der Blechbläser durchschneiden stolz das Gewölbe
der zweiten Fuge des Finales. Aber wo solche Detailverliebtheit
Segerstams Mahler übertrieben
episodisch wiedergibt, ist sein Resultat hier aus einem Guß.
Die Höhepunkte des Ecksatzes bilden sich gleichmäßig
organisch; das Hauptthema des Finales mit getrageneren Streichern
als sonst ist erhebend und positiv. Der Dirigent setzt Rotts
ständig erklingendes Triangel klug ein und verwandelt
die lärmende finale Zusammenfassung zu einem wahrhaften
musikalischen Höhepunkt. Das Norrköping Symphony
geht auf Segerstam mit Enthusiasmus und strahlendem Glanz
ein. Die Bis-Techniker unterstützen die Neigung der
Trompeten zu exzessiverem Glanz, doch werden sie ansonsten
dem audiophilen Ruf der Firma gerecht.
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Norrköping Symphony
Orchestra
Leif Segerstam
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