Aktualisiert
am
4. März 2018 |
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Die verschiedenen Einspielungen zeigen die gewaltigen
Hürden auf - Darstellung der Struktur, Balance, sogar
einfache Koordination -, die Rott für seine Interpreten
in seiner Symphonie errichtet hat, ungeachtet ihrer Brillanz,
ihrer Farbe und ihrem Reichtum an ansprechenden Melodien. Wie
viele seiner spätromantischen Zeitgenossen vermeidet er
strikt die Sonaten- und dreiteilige Form und erzeugt vergleichbare
musikalische und emotionale Fülle durch innovativere Strukturen.
Doch dort, wo die Mehrzahl der Komponisten zwei einfachere
Innensätze mit zwei ausgefeilteren Ecksätzen flankieren,
enttäuscht Rott die Erwartungen, indem er jeden Satz länger
als den vorhergehenden macht. Um Unausgeglichenheiten zu vermeiden,
bedarf es somit eines ausgeprägten Sinnes für den
Gesamtentwurf der Symphonie. Die Block-Struktur des Finales selbst birgt einzigartige Schwierigkeiten: Der Interpret muß die
Temporelationen umsichtig abstufen, um diese scheinbar bezuglosen
Episoden zu verschmelzen; und die Tutti-Halb-Kadenz kann, hammerhart
gespielt, wie ein voller Schluß klingen und die ungefähr
zehn verbleibenden Minuten als geschäftige Antiklimax
erscheinen lassen! |
Rotts Klanggefühl ist gleichermaßen
inkonsequent, was bei einem talentierten Studenten nicht überrascht.
Er konstruiert Höhepunkte mit einer Brucknerischen Geduld,
die weit über sein Alter hinausgeht, schichtet methodisch
Orchesterstimmen übereinander und fährt mit gleicher
Logik die Klangfülle herunter. Die leichteren, "offeneren" Klänge
zeigen ein wunderbares Gefühl für Farbe und Textur.
Die Tutti jedoch sind problematisch, da den Mittelstimmen bei
den Blechbläsern unzureichend verstärkte Themen bei
den Violinen und höheren Holzbläsern gegenüberstehen.
Das ergibt ziemlich dichte Klänge, die sich weder ausbalancieren
noch aufeinander Bezug nehmen - fast jede Aufzeichnung klingt
beim Versuch, die Blechbläser und die ungewöhnlich
aktiven Pauken einzugliedern, hart. Sogar Passagen, die auf
dem Papier klar genug erscheinen, wie beispielsweise die der
großen Halbkandenz des Finales zustrebenden schnarrenden
Streicher und Hörner, erweisen sich als schwer zusammenhaltbar,
nicht nur wegen der physischen Trennung der Instrumente auf
dem Podium, sondern auch deshalb, weil Streicher und Hörner
eben unterschiedliche "Sprachen sprechen". |
Andererseits ist es gut, zu hören, wie Dirigenten
auf verschiedene Weise die Probleme lösen, die eine relativ
unbekannten Partitur aufgibt. Die heutigen Schallplattensammler
beklagen zu Recht, daß Aufführungen des Standardrepertoires
sich viel zu sehr ähneln und wenig von der unterschiedlichen
Spontaneität oder Einsicht wiedergeben, die den jeweiligen
Interpreten als Individuum zu kennzeichnen pflegte. (Ich kann
mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Vorherrschaft
und jederzeitige Verfügbarkeit von Einspielungen der Standardwerke
die Interpreten dazu gebracht haben, für sich eine eng
definierte "annehmbare" Aufführungschablone
zu akzeptieren, von der abzuweichen es sowohl Mut als auch
Phantasie braucht.) Die hier zur Diskussion stehenden Dirigenten,
die Rott mehr oder weniger ganz auf sich gestellt interpretieren,
kommen zu sich deutlich voneinander unterscheidenden Ergebnissen,
die ihr musikalisches und technisches Können vielleicht
genauer wiedergeben, als ihre Interpretation vertrauterer Werke. |
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